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Teil 2 Gegenbesuch in Hamburg

 

Schüleraustauschprojekt 2018 zwischen dem 

Sacha-Gymnasium Jakutsk und der Gyula-Trebitsch-Schule Tonndorf

- Teil 2 in Hamburg vom 13.10. / 01.11. – 11.11.2018 -

 

Unter dem Titel „МосТТы– Brücken zum Dialog“ hat im Oktober und November der 2. Teil des diesjährigen Austauschprojektes zwischen dem Sacha-Gymnasium Jakutsk und der Gyula-Trebitsch-Schule Tonndorf (GTST) in Hamburg stattgefunden. 6 Schülerinnen kamen bereits am 13.10. zu einem vierwöchigen Gastschulaufenthalt nach Hamburg. Am 01.11. gesellte sich eine Gruppe aus 6 Schülerinnen, 2 Schülern und einer Deutschlehrerin aus Jakutsk zu ihnen. Bis zum 11.11. nahmen beide Gruppen mit den deutschen Schülerinnen und Schülern an den Projektaktivitäten teil. Die 14 russischen Schülerinnen und Schüler haben bereits im März an dem 1. Teil des Projektes in Jakutsk teilgenommen. Nach mehreren schulübergreifenden Austauschaktivitäten im Rahmen der Bildungskooperation zwischen Hamburg und Jakutsk in den vergangenen 4 Jahren war in diesem Jahr erstmalig nur die GTST die gastgebende Schule. Ziele der Projektbegegnungen waren daher die Intensivierung der Kooperation, die Gewinnung weiterer Interessenten an der Schulpartnerschaft, die Einbeziehung neuer Akteure in die Projektgestaltung und der Aufbau von (Kommunikations-) Brücken für den interkulturellen Dialog zwischen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern. 

Die Familien- und Freundschaftsbrücke

Die Unterbringung der russischen Schülerinnen, Schüler und der Lehrerin erfolgte wie auch in Jakutsk (bis auf eine Ausnahme) in Gastfamilien der Gyula-Trebitsch-Schule. 8 Gastgeber haben bereits an der Projektbegegnung im März in Jakutsk teilgenommen. 6 Gastfamilien konnten neu hinzugewonnen werden, 4 von ihnen hatten bisher keinerlei Kontakt mit Russland oder der russischen Sprache. Die Familien wurden in der Vorbereitung der Projektbegegnung über eine Ausschreibung auf die Kooperation aufmerksam gemacht. Auf  2 Informationsabenden an der GTST wurden die Bildungskooperation zwischen Hamburg und Jakutsk und die Inhalte und Ziele der diesjährigen Projektbegegnung vorgestellt.  Bis zur Ankunft der beiden Gruppen gab es einen intensiven Austausch per Mail, WhatsApp und in der Schule über die inhaltliche Gestaltung des Programms. Während des Aufenthalts bereiteten die Gastgeber eine angenehme familiäre Umgebung, sorgten für einen reibungslosen Ablauf, wobei nicht selten mehrere Familienmitglieder die Gäste zu Treffpunkten brachten oder von dort abholten, und gestalteten in den freien Zeiten ein ergänzendes Programm in der jeweiligen Gastfamilie. Die unkomplizierte Hilfsbereitschaft der Gastfamilien untereinander war eine große Unterstützung für die projektverantwortlichen Lehrkräfte. Sprachliche Barrieren wurde überwunden und die Schülerinnen und Schüler aus Jakutsk haben einen individuellen und nachhaltig wirksamen Einblick in das Familienleben erhalten. Im Laufe der Begegnung haben einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer richtige Freundschaften geschlossen. Das gemeinsame Erleben während des Programms, in Schule und Freizeit hat Unterschiede verschwimmen lassen, viele Gemeinsamkeiten offenbart und eine für die interkulturelle Kommunikation belastbare Brücke gebaut. Der Blick auf das jeweils andere Land, die verschiedenen Kulturen und Sprachen und auch auf gesellschaftliche Unterschiede wurde geschärft und die Erfahrungen wurden von allen Teilnehmenden als große Bereicherung empfunden. 

Die Bildungsbrücke in Schule und Unterricht

Die erste Gruppe hat 3 Wochen gemeinsam mit ihren Gastgebern am regulären Fachunterricht teilgenommen, während des Projektes waren 3 Unterrichtstage eingeplant. Während der 3 Wochen hatte die erste Gruppe zusätzlich Deutsch als Fremdsprache-Unterricht bei einer Deutschlehrerin aus Jakutsk, die zurzeit ein einjähriges Sprachassistentenprogramm an der GTST absolviert. Durch die Teilnahme am regulären Fachunterricht sind Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte verschiedener Klassenstufen auf die Gäste aus Jakutsk aufmerksam geworden. Trotz der sprachlichen Schwierigkeiten haben die Gastschüler aktiv am Unterricht teilgenommen, zum Teil von ihrer Heimatstadt, ihrer Schule und den klimatischen Besonderheiten berichtet und somit einen interkulturellen Dialog über die Austauschgruppe hinaus angeregt. Die konkreten Unterrichtserfahrungen waren unterschiedlich. Einerseits wurden die größere Freiheit und die Möglichkeiten für eigenverantwortliches und kreatives Lernen und Arbeiten als positiv empfunden. Andererseits gab es doch gelegentlich Verwunderung über das Verhalten einzelner Schülerinnen und Schüler im Unterricht. Es wurde ebenfalls deutlich, dass die im Fremdsprachenunterricht erlernten Kompetenzen noch zu wenig auf die praktische Anwendung der jeweiligen Zielsprache ausgerichtet sind. Die Bildungsbrücke bietet hier eine gute Möglichkeit für die Entwicklung interkultureller Kompetenzen, für den Erfahrungs- und Meinungsaustausch und für die Förderung fremdsprachlicher Fähigkeiten. Außerhalb des Unterrichts bot das Programm hierfür ein „Bildungsangebot“ im Rahmen einer von einer Schülerin ausgearbeiteten Stadtrallye zu verschiedenen Orten Hamburgs, an denen gemischte deutsch-russische Gruppen verschiedene Aufgaben bearbeiten mussten und dabei auch die Hansestadt kennenlernen konnten. Auch für einzelne Hamburger Teilnehmer waren Orte dabei, an denen sie bisher noch nicht gewesen sind. 

Die Brücke zum politischen Dialog – wichtiger denn je

Um die politischen deutsch-russischen Beziehungen war es schon mal besser bestellt. Umso wichtiger ist daher der Dialog zwischen beiden Ländern, zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen. Ein Blick in die Geschichte schafft hierbei ebenso wichtige Gesprächsanlässe, wie eine Auseinandersetzung mit aktuellen politischen Themen und Konflikten in Europa und der Welt. Der Tagesausflug in die Hauptstadt Berlin mit der deutsch-russischen Austauschgruppe sollte hier eine Brücke zu einer gemeinsamen Auseinandersetzung mit oben genannten Themen bauen. Begleitet wurde die Gruppe von 3 Schülerinnen und Schülern aus der Redaktionsgruppe der Schülerzeitung der GTST, die über den Berlinbesuch einen Artikel schreiben. Die sommerlichen Temperaturen Anfang November könnten einen Impuls gegeben haben, über die Folgen des voranschreitenden Klimawandels nachzudenken, zumindest boten sie einen angenehmen und gerade auch für die jakutischen Gäste (in Jakutsk war die Temperatur bereits unter -20°C gesunken) willkommenen Rahmen für einen ereignisreichen und informativen Tag in Berlin. Nach einem Besuch der Reichstagskuppel folgten eine Besichtigung des Brandenburger Tors, ein Spaziergang Unter den Linden, eine Mittagspause in der Friedrichstraße, eine Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte am Checkpoint Charlie und am Terror- und Holocaust-Mahnmal. Auf Einladung der Bundestagsabgeordneten der Partei Die Linke Frau Zaklin Nastic besuchten wir dann am Abend zunächst die Bundestagskantine für ein Abendessen und erhielten einen Vortrag im Plenarsaal über den deutschen Bundestag. Das anschließende Gespräch mit Frau Nastic wurde durch einen kurzen musikalischen Gruß auf der Maultrommel eröffnet. Es war wahrscheinlich das erste Mal, dass im deutschen Bundestag der Klang dieses traditionellen jakutischen Instruments zu hören war. Durch Frau Nastic erhielten die Schülerinnen und Schüler einen Einblick in die politische Arbeit einer Abgeordneten, die sich unter anderem für Menschenrechte, Völkerverständigung und Frieden einsetzt. Es wurden aber auch vielfältige Fragen der deutschen und russischen Gäste beantwortet. Der Tag in Berlin hat eindrucksvoll gezeigt, dass vielfältige Brücken für einen politischen Dialog gebaut worden und vorhanden sind, sie müssen nur für den Austausch genutzt werden. 

Die Brücke in die Zukunft – aus der Schule in den Beruf

Die deutschen und russischen Schülerinnen und Schüler der diesjährigen Projektbegegnung kommen überwiegend aus den Jahrgangsstufen 9-11. Sowohl in Jakutsk als auch in Hamburg ist die Berufsorientierung in diesen Jahrgängen von besonderem Interesse. Als Brücke zum Dialog zu diesem Thema wurden drei gemeinsame Exkursionen in das Programm aufgenommen. Am Montag, den 5.11. erhielt die Gruppe eine Airbus-Werksführung. Auf dem Weg durch verschiedenen Fertigungshallen, unter anderem der Endfertigung des A380, bekamen die Teilnehmer einen Einblick in verschiedene an der Flugzeugfertigung beteiligte Berufsgruppen und eine Reihe von Informationen und technische Details zu den verschiedenen Flugzeugtypen. 

Am Mittwoch stand dann der Besuch im Polizeipräsidium mit Verkehrsleitstelle und Notrufzentrale auf dem Programm. Besondere Verwunderung rief hier ein Polizeibeamter russischer Herkunft hervor, der uns auf der sehr informativen Exkursion begleitete und zum Teil übersetzte. Russisch trifft man mittlerweile in vielen Berufsgruppen in Hamburg an. Beide Programmpunkte sollten Denkanstöße und Gesprächsanlässe für einen Austausch über Berufswünsche und Zukunftsperspektiven liefern. 

Ergänzt und vertieft wurde diese Thematik dann am Donnerstag in einem Workshop zur Berufsorientierung in Hamburg. Eine aus Irkutsk stammende Lehrerin der GTST für Deutsch, Wirtschaft und Berufsorientierung leitete den Workshop für die jakutischen SuS auf Russisch und gab einen Überblick über das duale System in Deutschland und über Maßnahmen zur Berufsorientierung im Hamburger Schulwesen. 

Im Anschluss erstellten die SuS Plakate zu ihren ganz persönlichen Berufsvorstellungen. Auffällig war, dass die russischen SuS zum Teil schon recht konkrete Vorstellungen zu ihrer beruflichen Zukunft haben. 

Der Programmpunkt am Donnerstag fand zwar an der Gewerbeschule für Gastronomie und Ernährung statt, im Vordergrund der Aktivität stand aber eher das gemeinsame Erleben als weitere Informationen zur Berufswahl.

Die interkulturelle Brücke – Gemeinsam kochen, Spaß haben und staunen

Angeregt durch die sehr gute Erinnerung an das gemeinsame Kocherlebnis an einer beruflichen Bildungseinrichtung im März in Jakutsk wandte ich mich während der Programmgestaltung mit der Frage an die Abteilungsleiterin für die Berufsgruppe der Köche an der Gewerbeschule für Gastronomie und Ernährung, ob wir mit der deutsch-russischen Schülergruppe zu einem angeleiteten gemeinsamen Kochen an die Schule kommen könnten. Nach Abstimmung mit der Schulleitung und dem leitenden Küchenchef willigte sie ein und am Donnerstagmittag wurde unsere 28köpfige deutsch-russische Gruppe von der Abteilungsleiterin, dem Küchenchef und 7 Auszubildenden im 1. Lehrjahr in der Lehrküche begrüßt. Auf dem Speiseplan standen Schnitzel Wiener Art mit Kartoffelsalat und zum Dessert Apfel-Pfannkuchen. In einer Hamburg-jakutischen Koproduktion, angeleitet von sehr professionell agierenden Auszubildenden wurde das Gericht in ca. 2 Stunden zubereitet. Beim Zwiebelschneiden, Kartoffelschälen, Schnitzel klopfen oder Panade anrichten wurde so manche deutsch-russisch-jakutisch-englische Sprachhürde gemeistert und beim gemeinsamen Essen der geschmackvoll angerichteten Speisen fanden verschiedene interessante Gespräche zwischen Schülern und Auszubildenden statt. Beide Seiten haben viele interessante Erfahrungen gemacht. Es kam die Idee auf, mal einen Austausch zwischen den beiden beruflichen Einrichtungen in Hamburg und Jakutsk zu realisieren. Daraus könnte ein weiterer Brückenpfeiler für die Bildungskooperation zwischen Hamburg und Jakutsk werden. 

 

Im Anschluss an das gemeinsame kulinarische Erlebnis folgte ein Spaziergang durch den Stadtpark. Das ruhige Herbstwetter und die Natur luden ein zu von den jakutischen Schülerinnen und Schülern angeregten gruppendynamischen Spielen auf der großen Spielwiese. Die zurückliegenden ereignisreichen Tage haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einander nähergebracht, ungeachtet von sprachlichen Barrieren.  

 

Aus der Natur ging es direkt ins Planetarium, in die Welt von Elementarteilchen und String-Theorie aus der modernen Physik. Gezeigt wurde der 3D-Film „The man from the 9 Dimensions“ des japanischen theoretischen Physikers Hirosi Ooguri. Der Wissenschaftler war am Vortag mit dem Hamburger Preis für theoretische Physik der Joachim Herz Stiftung und der Universität Hamburg ausgezeichnet worden. Bevor die Zuschauer mit den 3D-Brillen in die Zeit des Urknalls blicken konnten, erläuterte der Physiker seine Forschungsarbeit rund um die String-Theorie in einem 30minütigen Vortrag auf Englisch, den auch der Physiklaie verstehen konnte. Der Blick in die 3-dimensionale Welt der Teilchen in der großen Kuppel des Planetariums faszinierte dann alle Besucher. Ein gelungener Abschluss dieses ereignisreichen Tages. 

МосТТы – neue Brücken zum Dialog 

Beim von den Gastfamilien mit selbstgemachten Speisen und Getränken ausgestatteten Abschlussabend in der Aula der Gyula-Trebitsch-Schule Tonndorf lagen sich einige deutsche und russische Teilnehmerinnen plötzlich in den Armen und es flossen Tränen angesichts des nahenden Abschieds. Das Projekt mit der Begegnung im bis -37°C kalten Jakutsk im März und im goldenen Herbst im November in Hamburg hatte Schülerinnen, Schüler und Familien verschiedener Herkunft und Sprache aus unterschiedlichen Ländern, Schulen und Klassenstufen zusammengebracht und neue Brücken zum Dialog zwischen zum Teil sehr verschiedenen Kulturkreisen entstehen lassen. Unterschiede wurden als Bereicherung erfahren, sprachliche Hürden überwunden, vielfältige Gemeinsamkeiten trotz der geografischen Entfernung erleichterten das gegenseitige Kennenlernen und Verstehen. Alle beteiligten Eltern, Geschwister und weitere Familienangehörige haben maßgeblich dazu beigetragen, dass beide Begegnungen reibungslos abgelaufen sind. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben in dem gemeinsamen Erleben einen Reifeprozess durchlaufen, der die weitere Entwicklung einer weltoffenen, toleranten und friedvollen Weltanschauung positiv beeinflussen wird. Die Bildungskooperation zwischen Jakutsk und Hamburg, zwischen der Gyula-Trebitsch-Schule Tonndorf und dem Sacha-Gymnasium hat sich weiterentwickelt, neue Arbeitsfelder und Themen für zukünftige Austauschprojekte wurden gefunden und der Interessentenkreis für die Kooperation hat sich schulisch und außerschulisch vergrößert. 

 

Ein aufregender Dombesuch mit vielen Attraktionen am letzten Tag bildet dann den Abschluss des diesjährigen Austauschprojekts. Am Sonntag, den 11.11. erfolgte der Rückflug nach Jakutsk. Das nächste Austauschprojekt ist für März 2019 geplant. Die Bildungskooperation zwischen Hamburg und Jakutsk geht weiter. 

Informationen dazu unter www.hamburgjakutsk.de

 

Mein besonderer Dank gilt der Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch www.stiftung-drja.deund der Behörde für Schule und Berufsbildung für die finanzielle Förderung, dem Reisebüro Go East https://go-east.defür die unkomplizierte Buchung der Flugtickets für die Reise nach Jakutsk und der Fluggesellschaft Aeroflot https://www.aeroflot.ru/ru-defür die reibungslose und überaus zuverlässige Durchführung der Flüge. 

 

Mathias Burghardt

 

Den Bericht der russischen Schüler und Lehrkräfte findet man unter http://sakhagymn.yaguo.ru/9-uncategorised/816-ocherednoj-proekt-shkolnogo-obmena-mostty-brcken-zum-dialog

  

 

 

 

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